DIE 27. ETAGE
Film-Nr.: 14127
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Genre: Thriller
Genre: Mystery
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DIE 27. ETAGE

MIRAGE (Originaltitel)

USA - 1965

DVD - Code 2 - PAL

Regie: Edward Dmytryk
Darsteller: Gregory Peck, Diane Baker, Walter Matthau, Kevin McCarthy, Jack Weston, Leif Erickson, Walter Abel, George Kennedy, Robert Harris
Drehbuch: Peter Stone

Sprache: Englisch, Deutsch
Laufzeit: 104 Min.
Bildformat: 1.85:1
Tonformat: Dolby Digital 2.0
Features: Trailer, Bildergalerie, Biografien

Der Begriff von ?suspense? und die Konventionen des ?conspiracy / mystery thriller? sind derart stark von Alfred Hitchcocks Filmen geprägt worden, daß alles, was in gleichen Gewässern fährt, unvermeidlich am Maßstab des Meisters gemessen wird; und in der Tat war die Vorgabe, aus der sich der Plot von MIRAGE entwickelt - Unschuldiger gerät in ein Netz von Verdächtigungen und sieht sich unerklärlichen Bedrohungen ausgesetzt - von einem Hitchcock in Bestform erst gut ein halbes Jahrzehnt zuvor mit NORTH BY NORTHWEST dem staunenden Publikum in Erinnerung gerufen worden. Auch das Motiv der Amnesie, die der Hauptfigur David Stillwell widerfährt und das nach großartiger Exposition die zentrale Prämisse von Dmytryks Film wird, ist Hitchcock-Fans von SPELLBOUND (1945) her bekannt, zumal es in beiden Fällen Gregory Peck ist, der um die Wiedererlangung seiner wahren Identität ringen muß.
Doch das in solchen Fällen so häufig geäußerte nachsichtige Urteil ?Der Meister hat es besser gemacht?? ist hier unangebracht. Das liegt zum einen am ausgetüftelten, durch immer neue Wendungen Stillwell und Zuschauer gleichermaßen verwirrenden Drehbuch von Peter Stone - drei Jahre war es her, daß Stanley Donen nach einem Skript von Stone das Genre mit dem köstlichen CHARADE bereichert hatte -, aber vor allem an der ziemlich einzigartigen Atmosphäre, in welche Dmytryks Inszenierung das rätselhafte Geschehen mit Hilfe bester Handwerker vor und hinter der Kamera einzutauchen weiß: schwarz/weiß-Photographie und stark verschattende Lichtsetzung lassen nicht selten an den Film noir der voraufgegangenen Jahrzehnte, andererseits auch an die Frostigkeit solcher filmischen Cold War-Fanale wie DR. STRANGELOVE oder FAIL-SAFE denken; die unzimperlichen Gestalten des Films werden überzeugend von Männern verkörpert, die sich anderweitig in ähnlichen Charakterfach bewährt hatten (Walter Matthau und George Kennedy aus CHARADE, Kevin McCarthy aus INVASION OF THE BODY SNATCHERS) und auch dem Zuschauer klarmachen können, daß allseitiges Mißtrauen unter Umständen angeraten sein kann - nicht zuletzt, wenn einem die nach und nach wieder einsetzende Erinnerung Geschehnisse vor Augen stellt, die sich so eigentlich nicht ereignet haben können. Wie die Schnittechnik diese Erinnerungsschübe Stillwells völlig unvermittelt aus der gezeigten Handlung hervortreten und zum auflösenden Finale hin sich immer mehr verdichten läßt, ist meisterhaft und zeigt, daß der Cutter Ted Kent jene Lektion, die Alain Resnais Ende der Fünfziger dem Kino mit HIROSHIMA MON AMOUR erteilt hatte, in- und auswendig gelernt hat. Und Quincy Jones trägt mit einer seiner ersten Filmmusiken, in welcher aufgeschreckt-nervöse und brütend verhaltende Tonlagen nur gelegentlich von smoothem Jazz abgelöst werden, zur paranoischen Stimmung des Ganzen nicht unbeträchtlich bei.
Daß diese Paranoia, anders als bei Hitchcock, keinerlei spielerischen Charakter hat, sondern durchaus politische Untertöne anschlägt, mag auch ein Reflex der Erfahrungen sein, die der Mann auf dem Regie-Stuhl selber erleiden mußte: Edward Dmytryk gehört zu jenen als ?the Hollywood Ten? zu trauriger Berühmtheit gekommenen Regisseuren, die während der Kommunistenhetze des Senators McCarthy wegen ihrer ?unamerikanischen? Umtriebe in Hollywood nichts mehr zu lachen hatten. (Vergleichbares gilt für Howard Fast, dessen FALLEN ANGEL-Roman die Vorlage für Stones Drehbuch lieferte... ) Wenn die romantische Akzentverschiebung im Mittelteil von MIRAGE also nicht so ganz zwingend erscheint - in CHARADE hatte gerade die funkensprühende Romanze zwischen Audrey Hepburn und Cary Grant den Ton angegeben -, so sollte man dies den Filmgenuß nicht trüben lassen: Wollte man sich den Filmscore einmal wegdenken (was man natürlich nicht will, denn Jones komponiert, als wolle er Hitchcocks Haus- und Hofschreiber Bernard Herrmann beerben und gibt noch rasch einen Schuß Henry Mancini dazu), wäre es nicht gänzlich abwegig, MIRAGE in die Nähe von Rivettes phantastischem PARIS NOUS APPARTIENT zu rücken? Von welcher Studioproduktion Hollywoods noch könnte man so etwas sagen? - Unbedingt anschauen! (Stefan Nottelmann)