OH BOY
Film-Nr.: 14254
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Genre: Komödie
Genre: Romanze
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OH BOY

OH BOY (Originaltitel)

Deutschland - 2012

DVD - Code 2 - PAL

Regie: Jan-Ole Gerster
Darsteller: Tom Schilling, Inga Birkenfeld, Martin Brambach, Michael Gwisdek, Robert Hofmann, Marc Hosemann
Drehbuch: Jan Ole Gerster

Sprache: Deutsch
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Laufzeit: 83 Min.
Bildformat: 1.78:1
Tonformat: Dolby Digital 5.1
Features: Making Of, erste Improvisation, Audiokommentar mit Jan-Ole Gerster und Tom Schilling, entfernte Szenen

Nicht immer halten deutsche Filmproduktionen, was Kritikerlob und Branchenpreise versprechen; aber OH BOY enttäuscht tatsächlich nicht, überrascht sogar aufs Angenehmste durch die hierzulande leider so rare Sensibilität für die spezifische Stimmung des Flaneurfilms, die er durch subtile Reminiszenzen an andere Genrebeiträge und Wahlverwandte hervorzurufen versteht: der episodische Charakter dieses Streifzugs durch Berlin, der an einem Sommermorgen beginnt und in den Morgenstunden des nächsten Tages endet, läßt an die frühen Werke Godards oder Truffauts ebenso denken wie an Antonionis BLOWUP; die Gesprächssituationen, um die herum Gerster seinen Film gebaut hat, die sich aber völlig zwanglos aus dem Geschehen ergeben, sind den pointierten Dialogen in Jim Jarmuschs COFFEE & CIGARETTES sehr nahe, wie andererseits nicht nur die Machart des Films (die schöne s/w-Photographie, Jazzklänge), sondern auch sein mal entspannter, mal nachdenklicher Tonfall an Allens MANHATTAN denken läßt. Und so könnte man noch eine ganze Weile weitermachen, angefangen bei der schönen Silhouette einer schlafenden jungen Frau, die gleich anfangs den Zuschauer fesselt - wer könnte die Eingangsszene von LOST IN TRANSLATION vergessen? -, bis hin zu den Späßen, die sich ein guter Freund der Hauptfigur erlaubt (indem er, Schauspieler vom Fach, SATURDAY NIGHT FEVER nachstellt und TAXI DRIVER zitiert), und der Häufung von Kamerashots in stille Großstadtwinkel, die das Finale von L'ECLISSE in Erinnerung rufen. Auch die kurze Blüte einer spezifisch deutschen Nouvelle Vague (ZUR SACHE SCHÄTZCHEN, Thomes DETEKTIVE? ) scheint nicht vergessen.
All diese benennbaren, aber niemals aufdringlichen Anregungen und Einflüsse mindern aber keineswegs die Originalität des Films, die mit der von Tom Schilling äußerst sympathisch verkörperten Hauptfigur zusammenhängt: Niko, eine eher passiv-sensible, im Gespräch stets entgegenkommende, wenngleich auch unverbindliche Natur, löst zum Vergnügen des Zuschauers bei seinem jeweiligen Gegenüber oft merkwürdige, so jedenfalls nicht zu erwartende Reaktionen aus, die sich ins offen Absurde steigern oder an den Rand der Hysterie führen können, bei anderer Gelegenheit aber auch sehr berühren. Das liegt natürlich auch an dem durchweg in Hochform aufspielenden Schauspielern, die Gerster für seine Abschlußarbeit hat gewinnen können, die trotz aller cineastisch aufgesogener Inspirationen doch auch eine spezifisch deutsche Angelegenheit geworden ist: Berlin bleibt als Schauplatz stets präsent, in manch einem Gespräch bricht die Nazi-Vergangenheit Deutschlands wieder durch?
Ein großer erster Wurf und sicherlich der schönste Sommerfilm aus heimischer Produktion seit Dresens SOMMER VORM BALKON. (Stefan Nottelmann)