COLONIA DIGNIDAD

COLONIA (Originaltitel)

Deutschland, Frankreich, Luxemburg - 2015

DVD - Code 2 - PAL

Auch wenn die Geschehnisse von Gallenbergers ambitioniertem Politthriller mittlerweile weit weg zu sein scheinen, zeigt der nur mäßig geglückte Auftritt des Bundespräsidenten bei seiner jüngst angetretenen Reise nach Chile, wie lang der Schatten immer noch ist, den die ungeheuerlichen Taten des vor den deutschen Strafbehörden 1961 dorthin entflohenen Paul Schäfer als Gründer und tyrannisch herrschender Sektenführer in der sogenannten Colonia Dignidad auf die Landesgeschichte nicht nur Chiles und seiner Militärdiktatur unter Pinochet, sondern auch Deutschlands und seiner bis in Botschafterkreise hinein durchgesetzten Duldung des faschistoiden Ministaates werfen. Löblich also, den ausufernden Stoff in Szene zu setzen und das in deutschen Landen so spärlich bestückte Thriller-Genre zu bereichern, zumal die detailreichen Schilderungen aus dem Inneren des Lagers und des durch drakonische Strafen geprägten Arbeitsalltags dort erahnen lassen, daß Gallenberger und sein Co-Autor Torsten Wenzel sich eingehendst in das Thema hineingefressen haben müssen. Aber so löblich das Ansinnen und so gelungen der Versuch, die Zeitumstände mit größter Akkuratheit vor Augen zu führen, so wenig überzeugend ist das Drehbuch bei der Zeichnung der einzelnen Figuren, die als bloße Aufhänger dienen, um die monströse Geschichte wieder lebendig werden zu lassen: Lena und Daniel (Emma Watson und Daniel Brühl engagiert, aber vom Drehbuch unterfordert), ein junges deutsches Pärchen, werden im September ?73 von den Putschisten als Unterstützer des gestürzten Präsidenten Allende zunächst verhaftet, Daniel in die Kolonie gebracht, die von den Militärs als Folterstätte gegen die politischen Gefangenen genutzt wurde, und Lena freigesetzt. Sie schleust sich als neues Sektenmitglied ein, um ihren Freund zu befreien, trifft dort aber zunächst vor allem auf die eigentliche Zentralfigur des Ganzen, Paul Schäfer (Mikael Nykvist in guter Form als von sich selbst besessene Personalunion von Seelsorger und Diktator)? Und so beklemmend die Inszenierung die Nähe der trostlosen Colonia Dignidad zum Lagerwesen der Nazis ins Bild zu setzen weiß, so geschickt er mit dem Wissen des Zuschauers um streng geheime Militärgefängnisse, um Mißbrauchsskandale, um Korruption in der hohen Politik durchaus spielt, um das Vergangene als doch gar nicht so fern erscheinen zu lassen, so sehr schrumpt der Film die Geschichte im weiteren Verlauf zur bloßen Plotvorlage einer spannend, aber konventionell erzählten Flucht aus dem grausamen Gefängnis zusammen? Schade, denn vieles an diesem auch in seiner visuellen Gestaltung eine triste, bedrückende Stimmung erzeugenden Film lohnt das Anschauen! (Stefan Nottelmann)