EMPIRE ME - DER STAAT BIN ICH
Film-Nr.: 14316
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Genre: Dokumentarfilme
Genre: Gesellschaft
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EMPIRE ME - DER STAAT BIN ICH

EMPIRE ME (Originaltitel)

Deutschland, Australien, Luxemburg - 2011

DVD - Code 2 - PAL

Regie: Paul Poet
Darsteller: Paul Poet, Caledonia Curry, Dark Dark Dark, Achim Ecker
Drehbuch: Paul Poet

Sprache: Englisch, Deutsch, Italienisch, Dänisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Deutsch für Hörgeschädigte
Laufzeit: 100 Min.
Bildformat: 1.78:1, anamorph
Tonformat: Dolby Digital 5.1
Features: Interviews mit Paul Poet, entfernte Szenen, Trailer

Impressionen aus Gemeinschaftsgebilden, mit denen Paul Poet dazu einlädt, den berühmten Leitsatz 'Der Staat bin ich!', aus dem Geschichtsunterricht als Ausspruch des 'Sonnenkönigs' bekannt, einmal wörtlich zu nehmen und Alternativen zu heutigen Staatswesen als realisierbar vor Augen zu haben. Sechs Beispiele werden von ihm herangezogen, um das Phänomen der Mikronationen zu beleuchten: das selbsternannte Fürstentum von Sealand auf einer vom britischen Militär außer Dienst gestellten Seeplattform vor der Küste Suffolks; das selbsternannte Fürstentum Hutt River in Australien; die im italienischen Piemont angesiedelte esoterische Gemeinschaft Damanhur; das Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung (ZeGG) in der weiteren Umgebung Berlins; die Freistadt Christiania in Kopenhagen; und das Kunstprojekt der schwimmenden Städte von Serenissima?
Wer eine Doku erwartet hatte, dem wird schon angesichts der Titelsequenz - Resultat virtuosen Designs und rasant geschnittener Bildercollage, zugleich die Blaupause für die einzelnen Kapitelübergänge - rasch klar werden, daß EMPIRE ME (lies: 'Empire ME') von seiner Suggestionskraft mindestens ebenso sehr lebt wie von seinem näher besehen doch recht spärlichen Informationsgehalt. (Hohen Anteil daran hat Einstürzende Neubauten-Member Alexander Hacke, der eine Klangwelt geschaffen hat, die so manchen Spielfilmkomponisten neidisch machen müßte.) Tatsächlich hat man etwa zu Damanhur, zum ZeGG oder dem Serenissima-Projekt auf den jeweiligen Homepages nach zehnminütiger Lektüre mehr Infos zusammengetragen als Paul Poet sie liefert, wie denn auch kein Ausweis journalistischer Redlichkeit ist zu verschweigen, daß keines der ausgewählten Beispiele völkerrechtliche Anerkennung erfahren und insofern auch nur bedingt den Charakter einer echten politischen Intervention hat (was man sicherlich am ehesten von der Christiania-Siedlung behaupten kann; nicht zufällig die einzige Filmsequenz, in der eine direkte Konfrontation mit jener Staatsgewalt zu sehen ist, in der die Anarcho-Szene sich eine Enklave hat einrichten können). Aber die bedeutungsschwanger geraunten Sätze, mit denen die Kapitel eingeleitet werden, lassen durchblicken, daß der Filmemacher wohl auch anderes im Sinn hatte als eine gute Reportage abzuliefern; ihm geht es, wie die Schlußworte ganz unverhohlen zu erkennen geben, um Utopien, um die Machbarkeit eines ganz anderen Zusammenlebens. Das läßt sich bei den beiden Fürstentümern noch vergleichsweise dröge an, weil es sich um charmante Autokraten handelt, die eigentlich nur nachspielen, was auch normale Staaten tun. Deutlich interessanter (und auch optisch attraktiver) wird es bei dem Esoterik-Verein von Damanhur, dessen erstaunliche Tempelanlage ein bißchen nach schlichter gehaltenem Mati Klarwein aussieht, und dem ZeGG als groß angelegtem Feldversuch zwischen hippiesker 'freier Liebe' und kollektivem Tantra-Kurs. Am Überzeugendsten sind die Beiträge zu der antikapitalistisch gesonnenen Christiania und den aus Schrott zusammengebastelten Flößen, mit denen Straßenkünstlerin Swoon und ihre Crew Kurs auf Venedig ('La Serenissima') nehmen; es hat schon was, diese Arthouse-Versionen von WATERWORLD zwischen altehrwürdigem Gemäuer und unter gold-gelbem Himmel aufs offene Meer treiben zu sehen? 'New Worlds are happening!' verkündet der Untertitel; ein zum Nachdenken anregender, dabei sehr kurzweiliger Streifen über Wunschträume jenseits neoliberaler Globalisierung. (Stefan Nottelmann)