DIE ANDERE HEIMAT - CHRONIK EINER SEHNSUCHT
Film-Nr.: 14722
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Genre: Drama
Genre: Historie / Kostüm
Genre: Epen
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DIE ANDERE HEIMAT - CHRONIK EINER SEHNSUCHT

DIE ANDERE HEIMAT - CHRONIK EINER SEHNSUCHT (Originaltitel)

Deutschland - 2013

DVD - Code 2 - PAL

Regie: Edgar Reitz
Darsteller: Jan Dieter Schneider, Antonia Bill, Maximilian Scheidt, Marita Breuer, Rüdiger Kriese, Philine Lembeck
Drehbuch: Edgar Reitz, Gert Heidenreich

Sprache: Deutsch
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Laufzeit: 222 Min.
Bildformat: anamorph, 2.40:1
Tonformat: Dolby Digital 5.1
Features: Hinter den Kulissen, Edgar Reitz im Gespräch, Bühnenpräsentation von Edgar Reitz, Interviews mit edgar Reitz und Darstellern

Seinerzeit schalteten regelmäßig neun Millionen Fernsehzuschauer ein, wenn eine weitere Folge der ersten HEIMAT lief; die jüngste Ergänzung, die Edgar Reitz seiner mit insgesamt 56 Stunden wohl einmalig monumentalen Erzählung rund um die Bewohner der fiktiven Hunsrück-Gemeinde Schabbach hinzugefügt hat, mußte sich in Deutschland mit gut 120.000 Kinogängern begnügen. Schade eigentlich, denn etwas Großartigeres dürfte aus deutschen Landen schon länger nicht mehr auf die Leinwand gekommen sein, und der deutlich größere Erfolg des auch ästhetisch zum Vergleich einladenden Haneke-Films DAS WEISSE BAND - sicherlich befeuert durch die in etwa gleichzeitig diskutierten Mißbrauchsskandale - hätte mehr Zuspruch erhoffen lassen. Aber der rigide Moralismus des Österreichers ist Reitzens Sache nicht, und so bestimmt denn nicht kalte Distanz, sondern wache, Anteil nehmende Neugier sein Verhältnis zu der Geschichte aus den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts, die er aufrollt: Gleich mehrere Missernten treiben die Menschen in Hungersnot, die Diphtherie rafft unzählige Kranke hinweg, und auch die politische Enge des Preußen im Vormärz treibt die Leute in die massenhafte Auswanderung nach Brasilien, für die Abgesandte des dortigen Dom Pedro eifrig Werbung machen, um Arbeitskräfte zu rekrutieren. Mittendrin der verträumte Bücherwurm Jakob Simon, der sich als offenbar begabter Autodidakt durchs Studium der Indianersprachen auf die exotische Ferne des Amazonas vorbereitet, damit aber auch angesichts knochenharter Arbeit auf dem Feld oder in der Schmiede etwas neben der Spur zu stehen scheint?
Es herrscht kein Mangel an Ereignissen - meist sehr alltägliche, unscheinbare -, aber das Meisterliche des Films ist seine enorme erzählerische Ruhe, mit der etwas von vorindustrieller Gemächlichkeit erfahrbar wird, und die epische Breite, die Einzelschicksale mit großen Umwälzungen zu verknüpfen versteht, ohne im Mindesten didaktisch zu werden. Das alles eingefangen von der phantastischen s/w-Photographie Gernot Rolls und unterlegt mit einer trotz aller Modernität merkwürdig passenden Filmmusik (kein Geringerer als Michael Riessler). Man könnte von einzelnen Szenen schwärmen - das Dorffest, das Kinderbegräbnis, die Dampfmaschine, der endlose Treck der Auswanderer am Horizont - oder die (seltene) Kolorierung einzelner Gegenstände erwähnen und 'magischer Realismus' raunen? Stattdessen: Einfach mal selber anschauen und sich über einen staunenswerten Film irgendwo zwischen Ermanno Olmis L'ALBERO DEGLI ZOCCOLI und Herzogs FITZCARRALDO freuen (selbst an Ciminos HEAVEN'S GATE könnte man denken), der die gewohnte Blickrichtung - Deutschland als Immigrationsmagnet - dankenswerterweise einmal umkehrt (siehe Arslans GOLD)? (Stefan Nottelmann)