THE CHILDHOOD OF A LEADER
Film-Nr.: 15578
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Genre: Drama
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Genre: Familie
Genre: Mystery
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THE CHILDHOOD OF A LEADER

THE CHILDHOOD OF A LEADER (Originaltitel)

Frankreich, USA, Ungarn - 2016

DVD - Code 2 - PAL

Regie: Brady Corbet
Darsteller: Robert Pattinson, Stacy Martin, Bérénice Bejo, Liam Cunningham, Rebecca Dayan
Drehbuch: Brady Corbet

Sprache: Englisch, Französisch
Untertitel: Englisch, Englisch für Hörgeschädigte
Laufzeit: 112 Min.
Bildformat: anamorph, 16:9
Tonformat: Dolby Digital 5.1
Features: Audiokommentar von Brady Corbet, Kurzfilm: Protect You + Me

Phänomenaler Regie-Einstand des Schauspielers Brady Corbet, dessen Titel zwar auf die Spur jener Sartre-Novelle führt, auf die das Drehbuch sich stützt, aber beim Zuschauer wohl falsche Erwartungen an eine Art mustergültiges Psychogramm zukünftiger Diktatoren wecken dürfte, die der Film definitiv enttäuscht. Zwar bereitet einen die Ouverture mit einem Zusammenschnitt von Aufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg vage auf die historischen Umstände vor, unter denen das Autorenteam Corbet und Ehefrau Mona Fastvold seine Protagonisten antreten läßt - der kleine Prescott, als Diplomatensohn mit seiner Familie aus den Staaten angereist, weil der Vater für die USA an den Versailler Verträgen mitwirkt, lebt in friedlicher Umgebung auf dem französischen Land -, aber es bleibt den allerletzten (und wirklich atemberaubend gestalteten) Filmminuten vorbehalten, den Bogen zu spannen zu einer irgendwie politischen Ausdeutung des Geschehens bis dahin. Die längste Zeit über schaut man dem unschuldig wirkenden Knaben mit mädchenhaft-blonder LITTLE LORD FAUNTLEROY-Frisur bei seinem meist stummen Widerstand gegen die häufig abwesenden Eltern und das Personal daheim zu - einem Widerstand freilich, dem von Beginn an anzumerken ist, das er über kindliche Renitenz und trotzige Verstockung an Boshaftigkeit und Verschlagenheit deutlich hinausgeht?
Was Corbets Debütfilm so besonders macht, ist seine im laufenden Kinojahr wohl einzigartig sinistre Atmosphäre, die von Lol Crawleys wunderschöner Kameraarbeit und dem superben Filmscore Scott Walkers geschaffen wird: die dunklen, fahlen Bilder von Zimmern, die dezente Pracht ausstellen, wirken mal wie von THE OTHERS inspiriert, mal den Interieurs von Vermeer nachempfunden, sind aber insgesamt vielleicht mehr noch ein Echo von Bertoluccis auch visuell grandiosem CONFORMISTA; Walkers streicherlastiger Orchestersatz klingt, als habe er Bernard Herrmann gerade die dräuendsten, schrillsten, enervierendsten Klänge abgeguckt, und taucht das Ganze in eine ominöse, unheilschwangere Stimmung, die den Film stellenweise fast in Horror umschlagen läßt.
Irgendeine Lehre fürs politische Allgemeinwissen, wie sie wohl Hanekes DAS WEISSE BAND verbreiten wollte, wird man aus diesem formvollendeten Kammerspiel schwerlich ziehen können; aber die Meisterschaft, mit der man sich in ein Klima der Siebziger zurückversetzt fühlt, als die Filmträume unbehaglich und beklemmend wurden, ist bewundernswert und beeindruckend. (Stefan Nottelmann)