SAG NICHT WER DU BIST!
Film-Nr.: 14927
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Genre: Drama
Genre: Thriller
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SAG NICHT WER DU BIST!

TOM À LA FERME (Originaltitel)

Frankreich, Kanada - 2013

DVD - Code 2 - PAL

Regie: Xavier Dolan
Darsteller: Xavier Dolan, Pierre-Yves Cardinal, Lise Roy, Evelyne Brochu
Drehbuch: Xavier Dolan, Michel Marc Bouchard
Kamera: André Turpin
Musik: Gabriel Yared

Sprache: Deutsch, Französisch
Untertitel: Deutsch
Laufzeit: 105 Min.
Bildformat: 1.85:1, 16:9
Tonformat: Dolby Digital 2.0, Dolby Digital 5.1

Eigenwillige Thriller-Etüde des genialischen Shooting Stars aus Montreal, die das (im Wesentlichen) um drei Personen kreisende gleichnamige Theaterstück von Co-Autor Michel Marc Bouchard adaptiert: Mittzwanziger Tom - Dolan hat wie schon in seinen beiden ersten Filmen die Hauptrolle selbst übernommen - reist aus Montreal in die ländliche Provinz, um der Beerdigung seines Lebensgefährten beizuwohnen. Von der verwitweten Mutter des Verstorbenen erstaunlich warmherzig aufgenommen, begegnet ihm dessen Bruder Francis ausgesprochen feindselig und macht ihm unmißverständlich klar, daß die schwule Beziehung zwischen Tom und dem mit gerade einmal 25 Jahren allzu früh dem Leben Entrissenen ein Geheimnis zu bleiben hat?
Im Vergleich zum voraufgegangenen LAURENCE ANYWAYS - schon durch seine Themenwahl ganz offensichtlich als flammender politischer Appell gedacht und inszenatorisch von ausufernder, überbordender Phantasie, der kein Einfall zu kühn, keine Leidenschaft zu wild war - ist Dolans neuer Film ungleich reduzierter, unaufwendiger und anscheinend sehr bewußt erkennbar stärker als eine Art Genre-Arbeit angelegt, die mit ihren zahlreichen, wirklich überraschenden Wendungen in der Psychologie der Figuren wie eine subtile Hitchcock-Hommage anmutet (und mit den endlos scheinenden, herbstlich eingefärbten Maisfeldern unmittelbar an die berühmte Szenerie in NORTH BY NORTHWEST denken läßt). Wenn die stellenweise brilliante Fingerübung des Frankokanadiers als Thriller denn doch nicht jenen Grad an Suspense erreicht, der die Werke des Meisters auszeichnet, so liegt das an der ins Innere der Figuren verschobenen Spannung: zwar ist die offene Brutalität von Francis eine stete Bedrohung für Tom und die auf sein Bitten hin angereiste Pseudo-Freundin des Toten, aber das eigentlich Ungeheure liegt in unausgesprochenen Begierden und wankelmütigen Identitäten; man könnte an die Thriller eines François Ozon denken? Vor allem aber ist es die unglaublich gut komponierte Kammerorchester-Musik Gabriel Yareds, die dem Zuschauer das Gefühl atemberaubender Faszination einimpft, indem sie ihrer Machart nach den musikalischen Gestus mehr noch französischer als amerikanischer Melodramen und spannungsgeladener films noir der 40er und 50er Jahre zu reproduzieren versteht und selbst für die hochromantische 'Verklärte Nacht' Arnold Schönbergs eine würdige Umgebung abgibt. Die für Dolan mittlerweile charakteristische Affinität zu den 80ern hält mit Corey Harts New Wave-Klassiker 'Sunglasses at Night' dagegen, ebenso mit der merkwürdig artifiziellen Tangomucke (eine der stärksten Szenen!); aber auch Toms blondiertes Strähnen-Gewuschel und ein für seine Stimmung durchaus bezeichnendes Poster in Eighties-Optik mit der Aufschrift 'Feel real' gehören hierher? Schon erstaunlich, was der junge Nordamerikaner immer wieder aus dem Hut zaubert! (Stefan Nottelmann)