HUMAN CAPITAL
Film-Nr.: 14907
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Genre: Drama
Genre: Politik
Genre: Familie
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HUMAN CAPITAL

IL CAPITALE UMANO (Originaltitel)

DIE SÜSSE GIER (Alternativtitel)

Frankreich, Italien - 2013

DVD - Code 2 - PAL

Regie: Paolo Virzi
Darsteller: Valeria Bruni Tedeschi, Fabrizio Bentivoglio, Valeria Golino, Fabrizio Gifuni, Luigi Lo Cascio, Giovanni Anzaldo
Drehbuch: Francesco Bruni, Francesco Piccolo, Paolo Virzi, Stephen Amidon

Sprache: Italienisch
Untertitel: Englisch
Laufzeit: 106 Min.
Bildformat: 2.35:1, 16:9
Tonformat: Dolby Digital 5.1

Der Score, den Carlo Virzì für den Film seines Bruders Paolo komponiert hat, weckt mit seinen Anklängen an die Filmmusiken Thomas Newmans und Mychael Dannas Erinnerungen an AMERICAN BEAUTY und THE ICE STORM, und in der Tat bewegt sich die Adaption des (gleichfalls amerikanischen) Romans HUMAN CAPITAL von Stephen Amidon auf ganz ähnlichem Terrain und in ganz ähnlicher Atmosphäre wie die beiden Instant-Klassiker aus Übersee, die im Gewande eines Familiendramas ein Sittenbild zu entwerfen suchten: auch bei Virzì steuern (wie bei Sam Mendes) zwei über die Liebschaft ihrer beiden Kinder lose miteinander bekannte Familien auf eine Katastrophe zu, auch bei ihm scheint sich um dieses einschneidende Ereignis herum ein sehr tiefliegender, wenn auch zunächst noch unterschwelliger Widerwille gegen die bislang ganz selbstverständliche Alltagswelt zusammenzuballen. Der erzählerische Kniff, nach einer kurzen Exposition (die den leichtfertig verursachten, aber folgenschweren Unfall auf nächtlicher Straße als geheimen Dreh- und Angelpunkt vorwegnimmt) einzelne Handlungsstränge in drei Kapiteln mit dem Akzent auf je verschiedene Protagonisten zu entwickeln und langsam zu verdichten, um in einem Schlußkapitel eine Art Epilog zu liefern, ist clever gewählt, läßt andererseits nur sehr schwerfällig so etwas wie einen erzählerischen Sog aufkommen. Die Distanz, auf die der Zuschauer zum Geschehen gehalten wird, stimmt dabei auffällig gut mit der fast durchgängig frostigen Stimmung zusammen, die nicht so sehr dem Sprung aus lichten Sommertagen in kühle Weihnachtszeit geschuldet ist, wie er in jedem der drei ersten Kapitel erneut vorgenommen wird, sondern eher an die Eiseskälte eines Chabrol-Thrillers gemahnt, deren bissige Schärfe der mit analytischer Eleganz inszenierte Film Virzìs allerdings denn doch nicht ganz erreicht?
In Italien offenbar als eine Abrechnung mit der unter Berlusconi emporgestiegenen Finanzoligarchie wahrgenommen und an den Kinokassen überraschend erfolgreich, entdeckt der Film ein fürs gesamte Werk Michelangelo Antonionis zentrales Motiv wieder: es sind die Frauen, die das Fade und Schale einer materiell zwar mit allen Annehmlichkeiten lockenden, dafür aber das affektive Leben verödenden Existenz durchschauen - insbesondere Valeria Bruni Tedeschi ist mit ihrer immer wie verträumten, leicht abwesenden, willensschwachen Art als Ehefrau in reichem Hause perfekt besetzt, aber auch die junge Matilde Gioli verdient Erwähnung -, während die Männer den Hals offenbar nicht voll genug bekommen können und nach dem Beinahe-Fiasko weiterzumachen scheinen wie bisher (in seiner professionellen Freundlichkeit und streßbedingten Zerfahrenheit sehr gut: Fabrizio Gifuni als hochriskant auf Börsenverläufe wettender Fondsbetreiber): der deutsche Verleihtitel (DIE SÜSSE GIER) ist tatsächlich einmal besser gewählt als der originale, der sich erst aus einem recht zusammenhanglos an den Schluß geklatschten Schriftinsert erhellt? Sehr beachtlich! (Stefan Nottelmann)