ICH HABE SIE GUT GEKANNT
Film-Nr.: 14331
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Genre: Drama
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ICH HABE SIE GUT GEKANNT

Io la conoscevo bene (Originaltitel)

Deutschland, Frankreich, Italien - 1965

DVD - Code 2 - PAL

Regie: Antonio Pietrangeli
Darsteller: Stefania Sandrelli, Mario Adorf, Jean-Claude Brialy, Joachim Fuchsberger, Nino Manfredi, Enrico Maria Salerno, Ugo Tognazzi, Karin Dor
Drehbuch: Ruggero Maccari, Antonio Pietrangeli, Ettore Scola

Sprache: Deutsch, Italienisch
Laufzeit: 109 Min.
Bildformat: Widescreen, 16:9
Tonformat: Dolby Digital 2.0
Features: Kinotrailer, restaurierte Langfassung, deutsche Kinofassung

Die erfreuliche Wiederveröffentlichung von IO LA CONOSCEVO BENE auf DVD erinnert einen wieder daran, daß - zumindest im Westen - Italien neben Frankreich in den späteren fünfziger bis weit in die sechziger Jahre hinein der Motor eines modernistischen Kinos von Weltrang gewesen ist, das die Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit und die damit einhergehende gesellschaftliche Neuordnung nicht nur als sein Sujet, sondern auch als eine Forderung nach einer eigens noch zu schaffenden Filmsprache begriffen hat. Die epochemachenden Werke Michelangelo Antonionis um 1960 herum oder der in etwa gleichzeitige LA DOLCE VITA Fellinis sind denn auch in der Mitt-Sechziger-Produktion Antonio Pietrangelis durchaus präsent: thematisch bleibt er der dort begonnenen Aufdeckung einer tiefen Sinnleere unter dem schönen Schein von Mode und Kino treu, der mit seinem Jet Set- und High Society-Flair auch Adriana (Stefania Sandrelli) aus ärmlichen Verhältnissen vom Lande in die Großstadt gelockt hat; ästhetisch wirkt deren Ansatz nach, durch eher lose miteinander verbundene, gleichsam Schlaglichter setzende Szenenfolgen nicht so sehr zu erzählen als vielmehr zu zeigen. Aber wo Antonionis oder Fellinis Protagonisten gesellschaftlich bereits etabliert sind, hat Adriana die meisten Sprossen auf der Karriereleiter noch vor sich; die einzigen Angebote, an denen es nicht mangelt, sind Einladungen zu allerlei Schäferstündchen mit Männern, die ihre berufliche Position in die Waagschale werfen? Pietrangeli hat, den Filmtitel ad absurdum führend, mit Adriana eine nur schwer greifbare Hauptfigur geschaffen: ihr Männerverschleiß scheint auch dem eigenen Vergnügen zu dienen - sie bekennt einmal ganz naiv, einen jeden von ihnen geliebt zu haben -, gleichzeitig durchschaut sie wohl schon, daß sie für ihren jeweiligen Begleiter eigentlich nur bloßes Amusement ist. Einerseits setzt sie bei ihrem Vorwärtskommen durchaus auf ihre weiblichen Reize, andererseits will sie doch ihren Prinzipien treu bleiben, Liebe und Geld nicht miteinander zu vermengen, und bürstet etwa die recht eindeutige Offerte eines bekannten Schauspielers mit dem Hinweis ab, er solle sich doch gleich ein Strichmädchen nehmen. Diese Ambivalenz macht sich auch in der Stimmung bemerkbar, die den Film trägt: so leicht Adriana das Leben nimmt und so ausgelassen und vergnügt sie sein kann - gerade die Tanzszenen zu irgendwelcher Beat-Musik lohnen für sich genommen das Anschauen -, so wenig kann sie die Langeweile aus ihrem Leben vertreiben und die Anstrengung übertünchen, die ihr das Schön-sein-müssen abverlangt. Und die häufig zu hörenden italienischen Schlager oder französischen Chansons verstärken mit ihrer Gute Laune-Propaganda noch das Gefühl einer gewissen Fad- und Schalheit? Sandrelli, insgesamt sicherlich eher eine Nebenfigur in der Riege europäischer Spitzenschauspieler, ist als Adriana ausgesprochen gut, und auch die langsam-geschmeidige Kameraführung Armando Nannuzzis ist sehenswert. Die in Deutschland zur Aufführung gekommene Fassung - in der Anfangsszene etwas freizügiger, wie die DVD-Aufmachung pfiffig andeutet - hat insofern recht massiv in die Schnittarbeit Franco Fraticellis eingegriffen, als daß sämtliche Rückblenden herausgenommen wurden, die wie in HIROSHIMA MON AMOUR unvermittelt in die Gegenwartshandlung eingeschaltet sind, ohne allerdings die Schockwirkung zu erreichen, die diese Technik bei Alain Resnais hatte. - Eine aufregende Entdeckung, die zum Vergleich mit Trempers PLAYGIRL oder Schlesingers DARLING einlädt! Ärgerlich nur, daß die von der Bildqualität her gegenüber der deutschen Fassung (die ihrerseits neue Szenen bringt) deutlich verbesserte restaurierte Langfassung nur teilweise die deutsch untertitelte Originalversion bietet. (Stefan Nottelmann)