ELF UHR NACHTS
Film-Nr.: 11488
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Genre: Drama
Genre: BFI / Sight & Sound: Die 100 Besten Filme
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ELF UHR NACHTS

PIERROT LE FOU (Originaltitel)

Frankreich - 1965

DVD - Code 2 - PAL

Regie: Jean-Luc Godard
Darsteller: Jean-Paul Belmondo, Anna Karina, Graziella Galvani, Dirk Sanders
Drehbuch: Jean-Luc Godard
Kamera: Raoul Coutard
Musik: Antoine Duhamel

Sprache: Englisch, Deutsch, Französisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Spanisch, Niederländisch, Finnisch, Norwegisch, Polnisch
Laufzeit: 106 Min.
Bildformat: 2.35:1, anamorph
Tonformat: Dolby Digital 2.0
Features: Audiokommentar von einem Godard-Experten.

Wie ein Roman, "klar, übersichtlich und logisch", sollte das Leben sein, sagt Anna Karinas Marianne in diesem Film einmal, "aber das ist es niemals." Getreu dieses Diktums ist der Plot von Lionel Whites Vorlage ein Steinbruch, aus dem einzelne Kiesel herausgepickt werden, während der Rest dieser Pop Art-Collage aus allen Bereichen des Lebens zusammengetragen wird. Godard unterschneidet seine Handlung mit kaderfüllenden Bildern aus Comics, Reklame, der klassischen Kunst, Tagebucheinträgen und illustrativen, eher essayistisch eingestreuten Bildern. Dazu schwer verständliche, dischronologisch verschwurbelte Passagen (dummerweise gerade jene, auf denen der Großteil der Geschichte fußt, was deren Verständnis gründlich erschwert), Interviews, Meta-Spielereien ("Zu wem redest du? - "Zum Publikum."), Musical-Einlagen, eine mitunter eher irritierend eingesetzte Filmmusik und ein Erzähler-voice-over, in dem sich die beiden Hauptfiguren, Ferdinand und Marianne, unterwegs gerne mal in die Haare geraten und um Vorherrschaft ringen. Das geht manchmal nach hinten los, wie beim distanzierenden Brecht-Verschnitt der Party-Sequenz, wo weder das Licht noch die (Werbe-)Dialoge den Anschein der Realität wahren (wo allerdings der berühmte Gastauftritt von B-Film-Legende Samuel Fuller stattfindet, der dort kurz sein Credo verkünden darf: "Film is like a battleground. Love, hate, action, violence, death - in one word: emotions."). Aber häufig wirkt es auch wie ein Wunder, wenn sich auf aufregende Weise all die disparaten Elemente plötzlich zu reiner Poesie vereinen, wie in vielen der Sequenzen am Meer, wo die Handlung eine halbe Stunde pausiert, aber wunderschöne Momente eingefangen werden.
Ein Film über Liebe und Verrat (Godards Beziehung mit Anna Karina war gerade gescheitert), in der Belmondos armem Ferdinand (von Marianne beharrlich "Pierrot" genannt) übel mitgespielt wird und welcher sich trotzdem in einem fort von ihr ins Verderben zerren lässt. Die Kameraarbeit vom Nouvelle Vague-Maestro Raoul Coutard ist vielleicht seine schönste, der Schnitt von Francoise Colin heute womöglich noch moderner als damals und Godards Stil so frisch und aufregend wie nie zuvor und nie danach. Wer in seinem Leben nur einen seiner Filme sehen möchte, ist in diesem bestens aufgehoben - er ist die Quintessenz seines Schaffens. Bill Forsyth (LOCAL HERO) sagte einmal, dass, wenn er eine Tochter hätte, sie sich mit keinem Jungen verabreden dürfte, der PIERROT LE FOU nicht möge. Und so erzieherisch fragwürdig das sein mag, spricht es doch Bände über die Verehrung, die dieser Film erfahren hat. "Wenn man schon verrückt ist, dann richtig!"